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Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland

Allgemeine Rahmenbedingungen > Gesellschaft

Geschlechtsspezifische Lebenslagen

Trotz eines Gleichanspruchs gibt es auch in Deutschland Ungleichheitserfahrungen entlang der Kategorie Geschlecht:

  • Einkommen, Gender Pay Gap: Frauen verdienten 2022 durchschnittlich 18% weniger je Stunde als Männer;
  • deutliche Ungleichverteilung bei bezahlter und unbezahlter Care-Arbeit;
  • Armutsrisiko Alleinerziehend: 2,15 Mio. Frauen und 462.000 Männer sind alleinerziehend;
  • Gewalterfahrungen/ sexueller Missbrauch/ häusliche Gewalt: 80% Frauen/Mädchen, 20% Männer/Jungen. Gewalt gegen LGBTIQ*-Menschen hat sich seit 2013 verdoppelt;
  • prekäre Lebenslagen, Obdachlosigkeit und Unterschlupfsituationen: Gleichstand bis Mehrheit bei Mädchen/junge Frauen.

Erläuterung

Geschlecht ist nach wie vor auch in Deutschland ein wesentlicher Platzanweiser, der unter der Decke der (angeblichen) Gleichberechtigung bzw. Gleichstellung wirkungsvoll als Strukturgeber arbeitet. Die entlang der Kategorie Gender existierenden Ungleichheitserfahrungen sind in der Regel mit anderen Kategorien (race, class, body...) intersektional verknüpft. Innerhalb der Lebenslagen von Menschen ganz unterschiedlicher geschlechtlicher Identitäten (seit 2018 gibt es in Deutschland auch die Option, sein Geschlecht als „divers“ beim Standesamt eintragen zu lassen) existieren große Unterschiede.

Frauen verdienen durchschnittlich 18% weniger je Stunde als Männer. Die Unterschiede fallen in Westdeutschland (und Berlin) mit 20% deutlich höher aus als in Ostdeutschland (7%). Der Verdienstabstand ist mit 7% im öffentlichen Dienst wesentlich geringer als in der Privatwirtschaft (21%). Auch der Umfang der Erwerbsarbeit unterscheidet sich deutlich: 94% der Männer arbeiten in Vollzeit gegenüber 34% der Frauen. Zwei Drittel der geringfügig Beschäftigten sind Frauen.

Darüber hinaus gibt es eine ungleiche Verteilung von Care-Tätigkeit: 34% aller berufstätiger Frauen sind im Bereich sozialer Dienstleistungen tätig. Der Frauenanteil in den Kindertagesstätten beträgt 96%, in den Grundschulen 90%, den privaten Pflegediensten 87% im Reinigungswesen 75%. 34% aller berufstätigen Frauen sind im Bereich sozialer Dienstleistungen tätig gegenüber 8% aller berufstätigen Männer. Das Berufswahlspektrum von Mädchen und Jungen ist trotz Girls- und Boys-Day geschlechtsspezifisch eingefärbt.  Auch die unbezahlte Care-Arbeit wird vorrangig von Frauen geleistet (Care-Arbeit, ehrenamtliche Arbeit ...).

Dies wirkt sich auch auf die Strukturen der Erwerbslosigkeit aus: Frauen sind im Durchschnitt doppelt so lange ohne Erwerbsarbeit wie Männer. Der Anteil der Frauen unter Langzeitarbeitslosen ist höher als der von Männern.

Frau mit Kind macht bunte Seifenblasen / Woman with child making colourful soap bubbles

Armutsrisiken bestehen insbesondere nach Trennung, für Alleinerziehende und für „alleinstehende“ Frauen. 2,15 Millionen Alleinerziehende sind Frauen, 462 000 Männer.

Der Anteil der Eltern in Elternzeit mit dem jüngsten Kind unter 3 Jahren an allen erwerbstätigen Eltern zeigt eine deutliche Geschlechterverteilung. Er liegt bei 42,2% bei Frauen und bei 2,6% bei Männern.

Von häuslicher sowie von sexualisierter Gewalt sind 80% Frauen und Mädchen betroffen gegenüber 20% der Männer und Jungen. Die Gewalt gegenüber LGBTIQ*-Menschen (Lesbians, Gays, Bisexuals, Transgender, Intersex & Queers) hat sich im Zeitraum 2013-2020 verdoppelt.

Hinsichtlich prekärer Lebenslagen muss man von Schätzungen ausgehen: Der Anteil der Frauen bei wohnungslosen Erwachsenen liegt bei knapp 30%. Bei den unter 18-Jährigen sind Mädchen/junge Frauen allerdings überdurchschnittlich vertreten.

In der Genderwahrnehmung wirkmächtige Deutungsmuster und Klischees erzeugen auch in der Kinder- und Jugendhilfe Phänomene der besonderen Benachteiligung, z.B. spätere Gewährung von Hilfen zur Erziehung für Mädchen als für Jungen.

Die Berücksichtigung von geschlechtsspezifischen Lebenslagen wird im § 9 SGB VIII „Grundrichtung der Erziehung – Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen“ in Abs. 3 angemahnt: „unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen, Jungen sowie transidenten, nichtbinären und intergeschlechtlichen jungen Menschen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern".

Grundlegende offizielle Daten werden in den Gleichstellungsberichten der Bundesregierung zusammengetragen.

Mit der Agenda 2030 wurde 2015 erstmalig in New York ein umfassendes Ziel zur Geschlechtergleichheit als eines von 17 globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung durch die internationale Staatengemeinschaft vereinbart. Gleichzeitig ist Geschlechtergleichheit auch als Querschnittsthema in der Agenda 2030 verankert.

Literatur
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