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Infosystem

Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland

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Strukturen > Leitorientierungen und Verfahrensprinzipien

Vertrauensschutz

Das Vertrauen auf den Schutz von Informationen gehört zu den Grundbedingungen helfender Beziehungen. Es ist grundrechtlich geschützt (sog. Recht auf informationelle Selbstbestimmung).

seit 2018: Geltung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Spezifische nationale Vorgaben für die Kinder- und Jugendhilfe:

Erhebung (§§ 62 SGB VIII)

  • nur erforderliche Daten
  • nur beim Betroffenen
  • am Betroffenen vorbei nur in abschließend
    aufgezählten Ausnahmen (§ 62 Abs. 3 SGB VIII)

Übermittlung (§§ 64, 65 SGB VIII)

  • zur Aufgabenerfüllung erforderlich und Übermittlung gefährdet nicht den Hilfeerfolg
  • besonderer Schutz von besonderes anvertrauten Daten: nur mit Einwilligung oder spezieller Befugnis nach § 65 Abs. 2 SGB VIII

Erläuterung

Verschwiegenheit und Vertrauensschutz gehören zu den Grundbedingungen helfender Berufe. Denn nur dort, wo das Angebot eines grundsätzlich informationsgeschützten 'Hilferaums' besteht, können sich zwischen Hilfesuchenden und Helfer*innen vertrauensvolle, hilfreiche Beziehungen entwickeln.

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Dieser Vertrauensschutz hat zudem eine verfassungsrechtliche Fundierung. Als Bestandteil des verfassungsrechtlich garantierten allgemeinen Persönlichkeitsrechts basieren alle datenschutzrechtlichen Regelungen grundsätzlich darauf, dass jede/r das Recht darauf hat, grundsätzlich selbst zu entscheiden, ob, wann und welche Informationen er/sie über sich Dritten offenbaren möchte (sog. Recht auf informationelle Selbstbestimmung). Vor diesem Hintergrund gilt grundsätzlich die Einwilligung des/der Betroffenen als der 'Königsweg'. Für den Fall, dass eine solche nicht vorliegt, bedarf es für den jeweiligen Informationsvorgang (Erheben, Speichern, Nutzen, Weiterleiten von Informationen) einer datenschutzrechtlichen Grundlage.

Datenschutz-Grundverordnung

Seit 2018 werden die datenschutzrechtlich zu beachtenden Vorgaben insbesondere auch durch die Regelungen der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geprägt, die als unmittelbar geltendes Recht in Deutschland Anwendung findet. Sie enthält insbesondere wichtige zentrale, im Datenschutzrecht zu beachtende Strukturprinzipien (Art. 5 DSGVO – Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten). Hierzu gehören u.a. das Transparenzgebot (d.h. Gestaltung aller Verarbeitungsvorgänge in einer für die Betroffenen nachvollziehbaren Weise) oder die Beschränkung der Verarbeitung der Informationen auf das für den Zweck notwendige Maß.

Auch für das Vorliegen einer rechtmäßigen Einwilligungserklärung setzt die DSGVO klare Vorgaben: Die betroffene Person muss hierfür freiwillig, für einen bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich eine Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung abgeben, mit der sie zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist.

Illustration zum Thema Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) / Illustration on the topic of the General Data Protection Regulation (GDPR)

Darüber hinaus enthält die DSGVO Öffnungsklauseln, die den EU-Mitgliedstaaten den Erlass nationaler Regelungen erlauben, u.a. auch für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben. Für die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII finden sich entsprechende nationale Regelungen in den §§ 61 ff. SGB VIII in Verbindung mit den allgemeinen Sozialdatenschutzregelungen im SGB X. Die wichtigsten Befugnisse hier sind:

  • Datenerhebung (§ 62 SGB VIII): Sozialdaten dürfen nur erhoben werden, soweit ihre Kenntnis zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe erforderlich ist (Abs. 1). Hierfür gilt der Grundsatz der Betroffenenerhebung (Abs. 2), d.h. auch hier spiegelt sich wider die Vorrangigkeit der Einwilligung.  An den Betroffenen vorbei, d.h. ohne ihre Mitwirkung, dürfen Sozialdaten hingegen nur erhoben werden, wenn eine der in Abs. 3 abschließend aufgezählten Ausnahmesituationen vorliegt, z.B. im Kontext der Aufgabenerfüllung des Schutzauftrags nach § 8a SGB VIII.
  • Datenweitergabe (§§ 64, 65 SGB VIII): Grundsätzlich dürfen die Sozialdaten zu dem Zweck übermittelt und genutzt werden, für den sie erhoben worden sind (§ 64 Abs. 1 SGB VIII). Zu einem anderen Zweck darf die Datenweitergabe dann stattfinden, wenn sie der eigenen oder der Aufgabe eines anderen Sozialleistungsträgers dient, den beabsichtigten Hilfeerfolg aber auch nicht gefährdet (§ 64 Abs. 2 SGB VIII). Letzteres erfordert in der Regel wiederum das Handeln mit Einwilligung oder zumindest eine nachvollziehbare Transparenz. Sog. anvertraute Sozialdaten, die einem/einer Mitarbeiter*in des Jugendamts in der Erwartung einer besonderen Verschwiegenheit anvertraut wurden, sind unter einen erhöhten Schutz gestellt (§ 65 SGB VIII). Diese dürfen primär nur mit Einwilligung des/der Betroffenen und ansonsten nur unter eng gefassten Voraussetzungen weitergegeben werden, z.B. an das Familiengericht, wenn angesichts einer Gefährdung des Wohls eines Kindes ohne diese Mitteilung eine für die Gewährung von Leistungen notwendige gerichtliche Entscheidung nicht ermöglicht werden könnte.

Literatur
  • Hoffmann, Birgit (2019). Vorbemerkung zum 4. Kap., § 62, §§ 64, 65. In: Münder, Johannes/Meysen, Thomas/Trenczek, Thomas (Hrsg.). Frankfurter Kommentar SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe, 8. Aufl., Baden-Baden
  • Münder, Johannes/Trenczek, Thomas (2020): Kinder- und Jugendhilferecht – Eine sozialwissenschaftliche Darstellung, Kap. 14, 9. Aufl., Baden-Baden.
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