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Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland

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Aufgaben und Handlungsfelder > Förderung und Unterstützung

Kinder- und Jugendarbeit

Kinder- und Jugendarbeit hat in Deutschland eine über 100-jährige Tradition, die sich auch in gesetzlichen Regelungen (wie dem SGB VIII) abbildet. Sie zielt auf die Unterstützung von Subjektbildung und Demokratiebildung: Kinder und Jugendliche sollen zur Selbstbestimmung und zur demokratischen Mitentscheidung und Mitgestaltung der Angebote der Kinder- und Jugendarbeit sowie darüber hinaus der Kommune und Gesellschaft befähigt werden.

Kinder- und Jugendarbeit ist deshalb freiwillig, offen für alle jungen Menschen und deren spezifische Interessen und stark durch die Partizipation der Beteiligten geprägt.

Zur Kinder- und Jugendarbeit gehören: Offene Kinder- und Jugendarbeit und Kinder- und Jugendverbandsarbeit. Hinzu kommen weitere Bereiche wie internationale Jugendarbeit, mobile Jugendarbeit und kulturelle Jugendarbeit bzw. Organisationen, die sich an Inhalten orientieren wie Spiel, Sport, Natur/Umwelt, Gesundheit u.v.m.

Junges Mädchen mit Luftballon springt in die Luft / Young girl with balloon jumping into the air

Erläuterung

§ 11 SGB VIII lautet: „Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen. Dabei sollen die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Angebote für junge Menschen mit Behinderungen sichergestellt werden.“

Die folgende Tabelle zeigt die Wirkungs- und Handlungsziele der Kinder- und Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII und die damit zusammenhängenden konzeptionellen Grundorientierungen:

Wirkungsziel Handlungsziel Konzeptionelle Grundorientierung

Selbstbestimmung der Kinder und Jugendlichen

Für alle Kinder und Jugendlichen zugängliche Angebote zur Verfügung stellen, die an den Interessen der Kinder und Jugendlichen anknüpfen.

Subjektorientierung und Selbstbildung

Gesellschaftliche Mitverantwortung und soziales Engagement der Kinder und Jugendlichen

Mitbestimmung und Mitgestaltung ermöglichen.

Partizipation und Demokratiebildung,
Inklusion

Dass Kinder- und Jugendarbeit ihren Adressat*innen „Angebote zur Verfügung stellen“ soll, betont den freiwilligen Charakter. Das verdeutlicht, dass es nicht um präventive, kontrollierende oder erzieherische Maßnahmen geht. Der Bildungsbegriff der Jugendarbeit bezieht sich auf einen Prozess des sich bildenden Subjekts, er zielt immer auf Selbstbildung ab. Sie ist zu verstehen als Befähigung zu eigenbestimmter Lebensführung und eigener Verortung in der Welt.

Selbstbestimmung wird im sozialen Zusammenhang zu demokratischer Mitbestimmung: Die jungen Menschen bestimmen und gestalten die Angebote gemeinsam nach ihren Interessen mit und bringen sich darüber hinaus auch mitverantwortlich sowie sozial engagiert demokratisch in die Gestaltung der Gesellschaft ein. So werden die fachlichen Orientierungen von Subjektbildung und Demokratiebildung verbunden.

Neben den großen Grundstrukturen der Angebote als Offenen Kinder- und Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit nennt der § 11 SGB VIII weitere Schwerpunkte der Kinder- und Jugendarbeit:

  1. Außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung,
  2. Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit,
  3. arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit,
  4. Internationale Jugendarbeit,
  5. Kinder- und Jugenderholung,
  6. Jugendberatung.

Daten zur Kinder- und Jugendarbeit – eine Momentaufnahme nach Corona

Die aktuellen Daten zur Kinder- und Jugendarbeit müssen vor dem Hintergrund der zurückliegenden Corona-Pandemie gelesen und interpretiert werden. Diese führte aufgrund des im Berichtsjahr 2021 zum Teil bestehenden „harten Lockdowns“ zu teilweise gravierenden Einbrüchen bei den Angeboten und der Inanspruchnahme von Maßnahmen der Kinder- und Jugendarbeit. Haben Jugendämter, Kirchen, Wohlfahrtsverbände und weitere freie Träger im Jahr 2019 bundesweit noch rund 156.700 öffentlich geförderte Angebote der Jugendarbeit für gut 8,6 Millionen Jugendliche durchgeführt, so reduzierte sich diese Zahl im Jahr 2021 auf 106.700 öffentlich geförderte Angebote (-32%), an denen nur noch 4,4 Millionen Jugendliche (-49%) teilnahmen. (Dabei sind in beiden Teilnahmedaten Mehrfachnennungen enthalten.) Der Angebots-Rückgang betraf mit 40% (von 105.900 auf 63.300) insbesondere Projekte oder (Groß-)Veranstaltungen, etwa Ferienfreizeiten, Weiterbildungen, Konzerte, Feste oder Sportveranstaltungen. Die Zahl der gruppenbezogenen Angebote, beispielsweise regelmäßige Gruppenstunden von Jugendverbänden sank um 22% (von 26.500 auf 23.200), und offene Angebote, wie zum Beispiel Jugendtreffs um 17% (von 24.300 auf 20.200).

Eine ähnliche Entwicklung gab es auch bei den anbietenden Trägern. Von 2019 auf 2021 sank die Zahl der Träger, die Angaben zu öffentlicher Förderung ihrer Arbeit machten, um 23% von 18.300 auf 14.100.

Bezogen auf die Personalentwicklung lässt sich feststellen, dass insbesondere die ehrenamtliche Arbeit eingebrochen ist. Wies die Statistik für 2019 noch 563.466 aktive Ehrenamtliche aus, so waren dies 2021 nur noch 317.364, was einem Minus von 44% entspricht. Bei den Hauptamtlichen zeigte sich bis zum aktuell letzten Stichtag (31.12.2020) noch keine solche Entwicklung. Gegenüber der letzten Erhebung von 2018 ergibt sich mit 32.731 Personen auf 19.986 Vollzeitäquivalenten sogar ein geringfügiger Anstieg von 1%.

Langfristige Entwicklungen sind aktuell anhand des statistischen Erhebungsstandes Mitte 2023 noch nicht absehbar. Ob und inwieweit sich die Zahl der Angebote und Teilnahmen wieder auf einen Vor-Corona-Stand einpegeln und ob sich ein nachgehender Effekt in den hauptamtlichen Beschäftigtenzahlen ergebt, muss beobachtet werden.

Aktuelle Daten zur Inanspruchnahme von Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit durch Kinder und Jugendliche mit Behinderungen liegen nicht vor. In einer etwas zurückliegenden Befragung des Deutschen Jugendinstituts 2016 gaben knapp 60% der Jugendzentren an, dass sie auch von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen besucht werden, insbesondere in Abhängigkeit vom Vorhandensein besonders qualifizierten Personals, konzeptionellen Überlegungen sowie Kooperationsbeziehungen mit Behinderteneinrichtungen. Jedoch hat sich als Reaktion auf fehlende passende Angebote und die aktuell bestehenden trennenden Sozialleistungslogiken (SGB VIII vs. SGB IX) in den letzten Jahrzehnten eine Parallelstruktur mit zum Teil eigenen, abgekoppelten, inklusiven, aber auch exklusiven Freizeitangeboten speziell für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen entwickelt, die von Trägern der Eingliederungshilfe und/oder Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen gestaltet werden. Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz 2021 und seiner ausdrücklichen Vorgabe zur inklusiven Ausrichtung der Kinder- und Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII sind entsprechende Weiterentwicklungen und stärkere Zusammenführungen dieser Angebote zu erwarten.

Im Jahr 2021 sind in Deutschland 2,127 Mrd. Euro für den Bereich der Kinder- und Jugendarbeit aufgewandt worden. Das entspricht einem Anteil von 3,4% der Gesamtmittel für die Kinder- und Jugendhilfe. (vgl. Ausgaben für Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe)

Literatur
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