(1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.
(2) …
(3) Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts […] insbesondere
Das Kinder- und Jugendhilfegesetz ist in Deutschland als Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe) in die dreizehn Gesetzbücher umfassende Sozialgesetzgebung eingefügt. Es legt bundesweit den gesetzlichen Rahmen der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe (Leistungen und andere Aufgaben) fest. Präzisierungen erfolgen in mehreren Leistungsbereichen (z.B. im Bereich der Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen) durch einzelne Landesgesetze der Bundesländer.
Das SGB VIII trat am 1. Januar 1991 in Kraft und löste das bis dahin geltende Jugendwohlfahrtsgesetz von 1961 ab. Ziel war es, das eher eingriffsorientierte Jugendwohlfahrtsgesetz durch ein Leistungsgesetz für junge Menschen und ihre Eltern abzulösen. Die Veränderung wurde seinerzeit als Paradigmenwechsel in der Kinder- und Jugendhilfe angesehen. Das Gesetz wurde in den vergangenen 30 Jahren mehrfach novelliert, zuletzt im Jahr 2021 durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG), welches insbesondere die Beteiligungsrechte von jungen Menschen und ihren Eltern stärkt und einen Einstieg für Hilfen aus einer Hand für Kinder mit und ohne Behinderungen eröffnet.
§ 1 SGB VIII fixiert die Programmatik des Gesetzes. Mit Abs. 1 wird das Recht von jungen Menschen auf „Förderung der Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ in den Vordergrund gestellt. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass Kinder- und Jugendhilfe in erster Linie den jungen Menschen verpflichtet ist und nicht den Interessen von erziehenden Eltern oder des Staates.
In Abs. 2 („Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“) wird allerdings das in Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland festgelegte elterliche Recht und deren Pflicht zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder wortgleich wiederholt, was die verfassungsmäßigen Grenzen der Verpflichtung nach Abs. 1 deutlich macht. Der Staat kann nur in das Elternrecht eingreifen, wenn ein Eingriff im Rahmen des Wächteramtes zum Schutz des Kindes vor Gefahren notwendig ist.
Abs. 3 beschreibt die Ziele, denen die Kinder- und Jugendhilfe verpflichtet ist:
Wie diese Zielbestimmung in § 1 SGB VIII zeigt, oszilliert der weit gespannte Auftrag der Jugendhilfe zwischen den Anforderungen,
Alle genannten Aufträge tragen eine Fülle von Ambivalenzen in sich und stehen darüber hinaus in einer gewissen Spannung zueinander. Deutlich werden hier grundsätzlich unauflösbare Spannungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe, die durch ihre Handlungsstrategien ihren generellen Auftrag zur Förderung von Erziehung, Teilhabe und Bildung mit den problembezogenen Anforderungen der Nothilfe und des Schutzauftrages im Rahmen der Einheit der Jugendhilfe ausbalancieren muss.
Das SGB VIII als gesetzliche Grundlage der Kinder- und Jugendhilfe hat seit seiner Verabschiedung 1990 eine Vielzahl von Veränderungen und Novellierungen erfahren, zuletzt durch das Kinder und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) (2021), welches insbesondere die Inklusion und gleichberechtigte Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen und damit die Gewährleistung von Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung zum Ziel hat. (vgl. hierzu besonders Teilhabeleistungen - Anspruchsgrundlagen, Teilhabeleistungen - spezifische Verfahrensvorgaben, Teilhabeleistungen für junge Menschen mit seelischen Behinderungen)
Zur Einführung und Vertiefung
Gesetzeskommentare zum SGB VIII