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Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland

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Aufgaben und Handlungsfelder > Andere Aufgaben

Mitwirkung in Verfahren vor dem Jugendgericht

Jugendliche (14 17 Jahre) sind strafmündig und fallen unter das Jugendstrafrecht, ebenso Heranwachsende (18  20 Jahre), wenn ihr Entwicklungsstand oder die Tat jugendtypisch sind.

Die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe/Jugendhilfe im Strafverfahren sind im Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) und im Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt:

§52 SGB VIII

  • Mitwirkung in Strafverfahren nach §§ 38 und 50 III 2 JGG
  • Betreuung und Unterstützung von Jugendlichen/Heranwachsenden während des Verfahrens
  • Einleitung von Jugendhilfeleistungen, die ein Absehen von der Strafverfolgung oder eine Verfahrenseinstellung ermöglichen

§§ 38 und 50 JGG

  • Einbringen relevanter Informationen in Verfahren vor dem Jugendgericht vor allem Aspekte der Persönlichkeit und der sozialen Hintergründe von beschuldigten Jugendlichen
  • Teilnahme an und Berichterstattung in Hauptverhandlungen
  • Kontrolle von Weisungen und Auflagen

Erläuterung

Das Jugendamt wirkt nach § 52 SGB VIII in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz gegen Jugendliche (zum Tatzeitpunkt zwischen 14 und 17 Jahren) oder Heranwachsende (zum Tatzeitpunkt 18 bis 21 Jahren) mit. Die Jugendgerichtshilfe (JGH) bzw. die Jugendhilfe im Strafverfahren (JuHiS) wird in dem Moment tätig, in dem eine polizeiliche Meldung über einen Tatverdacht gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden beim Jugendamt eingeht und ein Strafverfahren eröffnet wird. Die JGH/JuHiS betreut straffällig gewordene Jugendliche und Heranwachsende während des gesamten Jugendstrafverfahrens.

Das Aufgabenspektrum der JGH/JuHiS unterscheidet sich nicht grundsätzlich vom allgemeinen Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe (§ 1 SGB VIII), jedoch stattet das JGG sie mit weiteren Rechten und Pflichten aus. So leistet die JGH/JuHiS einerseits Hilfe gegenüber jungen Beschuldigten basierend auf ihren erzieherischen Bedarfen im Sinne des Jugendhilferechts. Sie prüft dabei insbesondere, aber nicht ausschließlich, ob für den jungen Menschen erzieherische Leistungen der Jugendhilfe in Betracht kommen, die ein Absehen von der Strafverfolgung durch die Justiz oder die Einstellung des Gerichtsverfahrens möglich machen. Durch die JGH/JuHiS sollen sozialpädagogische Gesichtspunkte in Jugendstrafverfahren eingebracht werden.

Andererseits arbeitet die JGH/JuHiS auch für das Jugendgericht, in dem sie „die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und des familiären, sozialen und wirtschaftlichen Hintergrundes des Jugendlichen“ unterstützt (§ 38 II 2 JGG). Sie nimmt an Hauptverhandlungen gegen beschuldigte junge Menschen teil und berichtet vor Gericht über deren Persönlichkeit und Lebensumstände. Zudem wacht die JGH/JuHiS nach einer eventuellen Verurteilung darüber, dass verurteilte junge Menschen ihren Weisungen und Auflagen nachkommen (§ 38 V 1 JGG, „Überwachungstätigkeit“). Es liegt in der Verantwortung der JuHiS vor Ort, eine angemessene ambulante Angebotsstruktur (z.B. Betreuungsweisungen, pädagogisch begleitete Arbeitsweisungen, soziale Trainingskurse) sicherzustellen. Zum Teil bieten die JuHiS auch Angebote für strafunmündige Kinder (unter 14 Jahren) und ihre Eltern an.

Diese doppelte rechtliche Einbindung in das SGB VIII und das JGG wird oftmals als „Spannungsfeld“ beschrieben, da beide Rechtsgebiete durch unterschiedliche Logiken geprägt sind. Das Jugendstrafrecht orientiert sich an (mutmaßlich) begangenen Straftaten und Gerichtsverfahren sollen die „Wahrheit“ über einen Sachverhalt aufklären sowie weitere Straftaten vermeiden („Legalbewährung“).

Demgegenüber knüpft das Jugendhilferecht an den erzieherischen Bedarf und die Förderung bzw. Unterstützung junger Menschen nach ihren individuellen Bedürfnissen an. Diese „Zweispurigkeit“ zwischen sozialer Arbeit und (Straf-)Justiz spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Bezeichnungen für dieses sozialpädagogische Arbeitsfeld.

Während der traditionelle Begriff der Jugendgerichtshilfe eher die Nähe zur Justiz symbolisiert, betont die Bezeichnung der Jugendhilfe im Strafverfahren die Eingebundenheit in das System der Jugendhilfe. Die JGH/JuHiS unterliegt keiner Weisungsbefugnis durch das Gericht. Es besteht auch keine Ermittlungspflicht hinsichtlich der Aufklärung von Straftaten.

In der Praxis sind sehr verschiedene Organisationsformen beobachtbar, die kommunal stark variieren. Die Jugendämter nehmen ihre Aufgaben in der Regel selbst wahr, selten delegieren sie diese ganz oder in Teilen an freie Träger. Jedoch kann die JGH/JuHiS innerhalb der Jugendämter als eigenständige Organisationseinheit (spezialisiert) oder als Teil des Allgemeinen Sozialdienstes erfolgen. Je nach Größe und Personalausstattung der Kommunen und Jugendämter kann die Arbeit in größeren Teams oder innerhalb sogenannter „Ein-Personen-JGH“ erfolgen.

Literatur
  • Cornel, Heinz/Trenczek, Thomas (2019): Strafrecht und Soziale Arbeit – Lehrbuch, Baden-Baden.
  • Goldberg, Brigitta/Trenczek, Thomas (2016): Jugendkriminalität, Jugendhilfe und Strafjustiz: Mitwirkung der Jugendhilfe im strafrechtlichen Verfahren, Stuttgart.
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