Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, Minderjährige in Obhut zu nehmen (§ 42 SGB VIII), wenn
Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gibt es ein vorgeschaltetes Verfahren der vorläufigen Inobhutnahme (§ 42 a-f SGB VIII).
2019 gab es ca. 49.550 Inobhutnahmen:
Inobhutnahme ist zunächst einmal das – voraussetzungslose – Recht von Kindern und Jugendlichen, die um Inobhutnahme bitten, weil – aus welchen Gründen auch immer – die momentane Lebenssituation als unerträglich empfunden wird.
Zur Inobhutnahme „berechtigt und verpflichtet“ ist das Jugendamt darüber hinaus,
Die Inobhutnahme ist die vorläufige Unterbringung bei einer geeigneten Pflegeperson, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform (§ 42 Abs. 1 SGB VIII). Sie dient der Klärung der zugrundeliegenden Krise mit dem Kind oder dem/der Jugendlichen und der schnellstmöglichen Erarbeitung einer Perspektive mit den Eltern und ihren Kindern bzw. Vormunden und ihren Mündeln.
Eine Inobhutnahme eines Kindes oder eines/einer Jugendlichen durch das Jugendamt setzt entweder das Einverständnis der Personensorgeberechtigten, die unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten sind, voraus (§ 42 Abs. 1 Nr. 1a SGB VIII) oder aber eine Situation, die einen akuten Handlungsdruck zum Schutz des/der Minderjährigen erzeugt, durch den „eine familiengerichtliche Entscheidung“, die ansonsten bei Eingriffen in das Recht der elterlichen Sorge immer eine Voraussetzung ist, „nicht rechtzeitig eingeholt werden kann“ (§ 42 Abs. 1 Nr. 1b SGB VIII). Eine solche Entscheidung des Familiengerichts muss das Jugendamt dann unverzüglich herbeiführen (§ 42 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII).
Während der Inobhutnahme ist das Jugendamt berechtigt, „Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohle des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind“ (§ 42 Abs. 2 SGB VIII).
2015 waren die hohen Zahlen einreisender Flüchtlinge in Deutschland Anlass für neue Regelungen im SGB VIII zur „Vorläufigen Inobhutnahme“ (§ 42a ff. SGB VIII) unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (UmF).
Die „Vorläufige Inobhutnahme“ reguliert Verteilungen zwischen den Bundesländern, die dann zur regulären Inobhutnahme (§ 42 SGB VIII) führen sollen. Ziel dieser Regelungen war es, Kommunen, bei denen sich die Zahl einreisender Minderjähriger im Jahr 2015 weit überproportional häuften, zu entlasten. Bis Ende 2020 musste das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) dem Bundestag das Ergebnis einer Evaluation dieses Gesetzes vorlegen. Darüber hinaus muss dem Bundestag jährlich Bericht erstattet werden „zur Situation von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen in Deutschland“ (§ 42e SGB VIII).
Inobhutnahme und vorläufige Inobhutnahme gehören zu den „anderen Aufgaben der Jugendhilfe“ (§ 2 Abs. 3 SGB VIII), die grundsätzlich und letztverantwortlich von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wahrzunehmen sind (§ 3 Abs. 3 SGB VIII). Nach § 76 Abs. 1 SGB VIII kann der öffentliche Träger den hoheitlichen Akt der Inobhutnahme zwar nicht delegieren, aber anerkannte Träger der freien Jugendhilfe an der Durchführung von Inobhutnahmen beteiligen.
2019 wurden insgesamt ca. 49.550 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen: 8.400 auf eigenen Wunsch (Schwerpunkt: 14- bis 18-Jährige, fast 2/3 sind weiblich), 32.500 wegen einer dringenden Kindeswohlgefährdung (annähernd gleiche Verteilung über alle Altersgruppen und die Geschlechter) und es gab 8.650 Inobhutnahme-Verfahren für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (Schwerpunkt: 14- bis 18-Jährige, ca. 80% männlich).
Gut 50% der Schutzmaßnahmen konnten nach spätestens zwei Wochen beendet werden. Ein Großteil der Jungen und Mädchen kehrte danach an den bisherigen Lebensmittelpunkt zu den Sorgeberechtigten, der Pflegefamilie oder in das Heim zurück (38%). Knapp 30% der Betroffenen wurden dagegen in Pflegefamilien, Heimen oder betreuten Wohnformen neu untergebracht.