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In Deutschland besteht ein umfassendes und komplexes System der medizinischen Versorgung. Es beruht im Wesentlichen auf drei Säulen:
- Die ambulante medizinische Versorgung durch niedergelassene Ärzte*innen. Für den Kontext der Kooperation spielen hier insbesondere (Kinder- und Jugend-)Psychiater*innen, Kinder- und Jugendärzte*innen, Gynäkolog*innen eine Rolle. Von den nichtärztlichen Gesundheitskräften sind in diesem Kontext niedergelassene Therapeut*innen und freie Hebammenpraxen zu nennen.
- Die stationäre Versorgung in Krankenhäusern, hier insbesondere Kinderkrankenhäuser, sozialpädiatrische Zentren, Entbindungsstationen mit ihren Fachkräften (Ärzte*innen, Krankenpfleger*innen, Hebammen, Therapeut*innen)
- Das öffentliche Gesundheitswesen, hier insbesondere der öffentliche Gesundheitsdienst mit den örtlichen Gesundheitsämtern.
Schnittstellen zur Jugendhilfe ergeben sich hier an ganz verschiedenen Stellen aus ganz unterschiedlichen Anlässen:
- Zunächst ist hier der Grenzbereich von Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie zu benennen. So gibt es viele junge Menschen in Betreuungsformen der Jugendhilfe (z.B. Heimerziehung), die auch kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung bedürfen – nicht selten gibt es hier auch Konflikte zwischen den Systemen, da beide Systeme ihre „Nichtzuständigkeit“ erklären und „schwierige“ junge Menschen versuchen in das jeweils andere Handlungssystem abzuschieben. Ein besonderer Überschneidungsbereich zur Kinder- und Jugendpsychiatrie ergibt sich zudem, weil Kinder- und Jugendhilfe für die Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit (drohender) seelischer Behinderung zuständig ist (§ 35a SGB VIII) und hierfür jeweils psychiatrische Begutachtungen notwendig sind.
- Einen starken Kooperationsbedarf gibt es auch mit der Erwachsenenpsychiatrie, da viele psychisch kranke Erwachsene auch Eltern sind und Kinder haben. Hier ist sowohl die Erwachsenenpsychiatrie im Rahmen der Angehörigen-Arbeit (zu denen auch die Kinder zählen) auf die Möglichkeiten der Jugendhilfe angewiesen als auch umgekehrt die Jugendhilfe auf die Unterstützung der Erwachsenenpsychiatrie bei der Beurteilung der Folgen von Krankheiten der Eltern auf die Kinder und ggf. Gestaltung hinlänglicher Erziehungsbedingungen. Zudem wird eine nicht geringe Zahl von jungen Volljährigen durch die Erwachsenenpsychiatrie begleitet, die entweder noch durch die Jugendhilfe betreut werden oder durch sie begleitet werden müssten.
- Auch die Kooperationen mit Kinder- und Jugendärzten bei der Diagnose von Misshandlungsfolgen ist für die Jugendhilfe wichtig, um unter Nutzung dieses Wissens einschätzen zu können, ob und wie Gefährdungen von Kindern/Jugendlichen abgewendet werden können.
- Schließlich ist zu erwähnen, dass zu Beginn dieses Jahrhunderts ein breit angelegtes Konzept Früher Hilfen mit intensivem Austausch zwischen Jugendhilfe und Gesundheitswesen installiert worden ist, welche inzwischen auch seinen gesetzlichen Niederschlag in einem Bundeskinderschutzgesetz gefunden hat. Hier werden gegenseitige Kooperationspflichten beider Handlungssysteme (und weiterer Akteure) für die Altersgruppe der unter 3-jährigen Kinder festgelegt. Zur Steuerung und Qualifizierung dieses Programms wurde das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) gegründet. Träger sind die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut e.V. (DJI).
Literatur
- Denner, Silvia (Hrsg.) (2008): Soziale Arbeit mit psychisch kranken Kindern und Jugendlichen, Stuttgart.
- Kölch, Michael/Ziegenhain, Ute/Fegert, Jörg (Hrsg.) (2014): Kinder psychisch kranker Eltern - Herausforderungen für eine interdisziplinäre Kooperation in Betreuung und Versorgung, Weinheim u. Basel.
- Mall, Volker/Friedmann, Anna (Hrsg.) (2016): Frühe Hilfen in der Pädiatrie, Heidelberg.